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22. Februar 2014 / AugenZeugeKunst

Ausstellungstipp nicht nur für Cineasten: „ECHTE GEFÜHLE: DENKEN IM FILM“ im KW Institute for Contemporary Art Berlin

Ausstellung Detail © Foto von Anna-Maria Weber 2014Die Ausstellung erforscht die Einflussnahme des Mediums Film auf unsere Emotionen und unser Denken. Die Schau bietet eine erstklassige Auswahl an Filmen, die in überzeugender Anordnung über vier Etagen die Gefühle und das Gehirn des Rezipienten in Wallung bringen.

Im Untergeschoss des KW analysiert ein parcoursartig angelegtes „Archiv der Gefühle“ die filmischen Methoden Gefühle zu lenken. Über 70 Filme, genre- und länderübergreifend, hat das Kuratoren-Team, bestehend aus Ellen Blumenstein (Chef-Kuratorin des KW), Franz Rodenkirchen (Dramaturg und Drehbuchautor) und Daniel Tyradellis (Philosoph und Kurator), ausgewählt und zehn wesentlichen Gefühlen zugeordnet.

Ausschnitte aus Mainstream- und Arthouse-Filmklassikern wie „TITANIC“ oder „ANGST ESSEN SEELE AUF“ verdeutlichen Querverweise zur Machart der Gefühlsträger. So findet sich beispielsweise zum Gefühl „Scham“ ein Ausschnitt aus dem Film „HAPPINESS“ von Todd Solondz in welchem Allen (Philip Seymour Hoffman) seine Nachbarin Helen (Lara Flynn Boyle) in einer Fahrstuhlszene schamhaft versucht anzusprechen, obwohl er sie in Gedanken am liebsten vernaschen möchte.

Daniel Tyradellis: „Wenn man das Archiv durchwandert hat, hat man – so hoffen wir – einen gewandelten Blick auf das, was das bewegte Kinobild mit uns macht (…), um sich von dort aus dann in den folgenden Etagen mit filmischen Kunstwerken zu beschäftigen.“

Die Kunstfilme sind auf drei Etagen thematisch verteilt. Im Erdgeschoss steht „Die Hauptfigur“ im Zentrum. Der vielbesprochene Film „CASTING JESUS“ von Christian Jankowski hat hier Berlinpremiere.
Zum Thema „Intensität der Gefühle“ finden sich im ersten Obergeschoss Filme in denen Gefühle zugespitzt bzw. sichtbar gemacht werden. „NO MAN IS AN ISLAND“ von Jesper Just zeigt Männergefühle in der Öffentlichkeit. Eine Choreografie in der zwei Männer miteinander agieren, der eine tänzerisch, der andere weinend. Auch kann man sich hier den Film „JEANNE DIELMAN, 23, QUAI DU COMMERCE, 1080 BRUXELLES“ von Chantal Akerman in voller Länge (200min) anschauen.

Ausstellungsansicht: 2. OG "Entleerte Gefühle" © Foto von Anna-Maria Weber 2014Im zweiten Obergeschoss wird die Bildoberfläche gründlich gereinigt und unter dem Titel „Entleerte Gefühle“ die Leinwand als Möglichkeitsraum gedacht. Mit „VIA DOLOROSA“ markiert Mark Wallinger, dass 10%ige Sichtbarkeit ausreichen, um bewegte Bilder zu identifizieren. Die Filmmontagen „OHNE TITEL“, die Peter Roehr in den 60er Jahren von Hand geschnitten und geklebt hat, erinnern mich an die schwarz-weißen Siebdruckserien von Andy Warhol. Beide verwenden vorgefertigte Bilder, die durch Wiederholung neue Zusammenhänge offenbaren. Besonders gut bei mir angekommen ist die Ästhetik des Films „DITCH PLAINS“ von Loretta Fahrenholz. New York kurz nach dem Hurrikan Sandy stellt die Kulisse und die Street-Dance-Gruppe „Ringmasters“ die Darsteller für diesen Katastrophen-Horror-Fiktion-Dokumentarfilm.

Daniel Tyradellis: „Je experimenteller das Kino wird, desto mehr wird erprobt an anderen Formen Emotionen darstellbar zu machen und eine andere Plausibilität zu entfalten, eine andere Wahrheit und Echtheit zu generieren, die mit der physikalischen überhaupt nichts zu tun haben mag.“

Als er das sagt, muss ich an den Froschregen in „MAGNOLIA“ von Paul Thomas Anderson denken und an die Szene, in der sich Björk und Barney gegenseitig Arme und Beine abschneiden in „DRAWING RESTRAINT 9“ von Matthew Barney.

Ich wünsche mir mehr von diesen wunderbaren Filmen, die echte Gefühle auslösen und den Horizont erweitern.

Die Ausstellung ist vom 23. Februar bis 27. April 2014 im KW Institute for Contemporary Art Berlin zu sehen.
Zusätzlich gibt es ein spannendes Rahmenprogramm mit Vorträgen, Gesprächen und Screenings.

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